„Unterstützungsmaßnahmen der Landesregierung zur Hochwasserhilfe – Nordrhein- Westfalen zeigt sich solidarisch“

Das Hochwasser hat im Osten und Süden Deutschlands
ganze Landstriche unter Wasser gesetzt.
Tausende Menschen mussten ihr Zuhause verlassen,
sie sind teilweise schlimmer betroffen als beim sogenannten „Jahrhunderthochwasser“ 2002. Viele müssen wieder neu anfangen, sind verzweifelt und mit ihren Nerven am Ende.
Aber das Hochwasser hat noch etwas anderes bewirkt,
nämlich eine Welle der Solidarität und der
Hilfsbereitschaft in ganz Deutschland, die mich tief
beeindruckt hat und die mich mit großer Dankbarkeit
erfüllt. Ich glaube, das sehen Sie alle genauso: Wie oft ist schon geredet und geschrieben worden über eine
Gesellschaft von Individualisten, in der sich jeder
selbst der Nächste ist? Was wir aber in den letzten
Wochen erlebt haben und immer noch erleben, ist genau das Gegenteil. Die Menschen in den
Hochwassergebieten brauchen unsere Hilfe. Und sie
bekommen diese Hilfe in vielfacher Form aus der ganzen Gesellschaft und aus allen Teilen Deutschlands.
Auch aus unserem Land, denn Nordrhein-Westfalen
ist immer solidarisch gewesen.
Wir helfen, wo wir gebraucht werden. Tausende Helferinnen
und Helfer aus ganz Nordrhein-Westfalen sind
seit 2 ½ Wochen in den Hochwassergebieten unermüdlich im Einsatz und arbeiten dort oft bis zur Erschöpfung. Feuerwehren helfen dabei, durchweichte Deiche zu stabilisieren. Wasserrettungszüge der DLRG retten eingeschlossene Menschen. Das Technische Hilfswerk ist vor Ort. Andere Hilfsorganisationen kümmern sich um die Bürgerinnen und Bürger, die vor dem Wasser fliehen mussten. Das Deutsche Rote Kreuz ist z.B. dabei, die Johanniter, die Malteser, der Arbeiter-Samariter-Bund, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, viele weitere Organisationen, die Polizei und, nicht zu vergessen unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr.
Doch auch ganz viele Menschen, die keiner Hilfsorganisation angehören, haben sich freiwillig gemeldet – vielfach auch unbürokratisch über Facebook und Twitter – und möchten weiterhin mithelfen, z.B. auch beim Aufräumen. Und es werden Millionen gespendet, damit die oft existenzbedrohenden Folgen des Hochwassers zumindest gemildert werden können.

Alles das zeigt: Wir sind kein Volk von Individualisten.Wir stehen in der Not zusammen. Das macht unsere Gesellschaft stark und reich. Das ist großartig. Für alles das, für diese großartige Solidarität sage ich, und ich glaube, das darf ich auch im Namen des gesamten Hauses tun, von Herzen: Danke! Ich habe diesen Dank auch in Briefen an die von den Hilfsorganisationen eingesetzten Helferinnen und Helfer bekräftigt.

Direkte Hilfe aus NRW

Nach den sintflutartigen Unwettern im Einzugsgebiet
von Donau und Elbe haben uns erstmals am Sonntag,
den 2. Juni, Bayern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen um Hilfe gebeten. Wir
haben auf alle diese Ersuchen sofort und umfassend
reagiert und unsere Hilfe, also Personal und Einsatzmaterial, angeboten. Nicht alle von uns angebotenen Hilfen wurden dann aber auch tatsächlich von den betroffenen Ländern in Anspruch genommen. Im Ergebnis konzentrierte sich die nordrhein-westfälische Hilfe deshalb auf Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Sachsen.

Insgesamt waren, wenn man die Ablösekräfte berücksichtigt, ca. 10.000 Männer und Frauen aus allenRegionen des Landes in die Hilfsaktionen eingebunden, in der Spitze waren in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen bis zu ca. 4.300 haupt- und ehrenamtliche Hilfskräfte des Feuer- und Katastrophenschutzes aus NRW vor Ort. 3 Hundertschaften der Polizei waren in Sachsen (in Dresden) im Einsatz.

Nach Niedersachsen wurden 2 Bereitschaften der
Feuerwehr aus dem Bezirk Arnsberg entsandt.

In Sachsen-Anhalt waren im Einsatz:
· die beiden kompletten Feuerwehr-Abteilungen
der Bezirke Detmold und Düsseldorf,
· 6 Bereitschaften der Feuerwehr-Abteilungen der
Bezirke Münster und Köln,

· 1 Führungsunterstützung für einen Einsatzabschnitt
im Raum Magdeburg,
· 5 Betreuungs-Bereitschaften,
· 10 Wasserrettungszüge von DLRG und DRK
· 6 Hochleistungspumpensysteme mit Bedienungspersonal.

Zur Verstärkung der Deiche und zur Errichtung von
Flutsperren hat NRW überdies rund 1,3 Millionen
Sandsäcke zur Verfügung gestellt.

Einen Ausnahmezustand wie jetzt hatten wir auch im
Jahr 2002. Damals hatten wir von einem Jahrhunderthochwasser gesprochen. Jetzt haben wir gelernt, dass Schlagworte nicht immer treffend sind. Denn zwischen diesen beiden Hochwassern lagen eben keine 100 Jahre sondern lediglich 11 Jahre. Und dieses Mal ist es noch schlimmer gekommen.
Aus dem Hochwassereinsatz 2002 haben wir noch
etwas gelernt. Solch umfangreiche Hilfseinsätze müssen professionell koordiniert werden, damit die Hilfe schnell und wirksam greift. Koordination, Planung, Übersicht, gezielter Einsatz sind genauso wichtig wie das Engagement tausender Helferinnen und Helfer aus unterschiedlichen Organisationen und aus vielen Regionen. Aus den Erfahrungen von 2002 sind bundesweit Konsequenzen mit einer Neubewertung des Katastrophenschutzes gezogen worden. Dazu gehört die zentrale Koordination der Einsätze.
Das Land, das Hilfe braucht, meldet konkret, welche
Hilfe gebraucht wird. Die Innenminister der Länder
koordinieren, welche Einsatzkräfte aus welchem Land
angefordert werden. Dafür gibt es das Gemeinsame
Melde- und Lagezentrums des Bundes und der Länder
(GMLZ). Und ich möchte an dieser Stelle auch all denen ganz herzlich danken, die im Lagezentrum oder in den Rettungszentralen die Einsätze koordiniert haben, die dafür gesorgt haben, dass die Einsatzkräfte koordiniert dorthin kommen, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wird. Und die z.B. auch dafür sorgen, dass es für die Helferinnen Helfer in ihrem Einsatzgebiet Unterkunft und Verpflegung gibt.

Diese notwendige zentrale Koordination kann dann
allerdings auch dazu führen, dass Menschen spontan
helfen wollen aber nicht helfen können. Deshalb müssen wir auch an der Stelle noch lernen und darüber beraten, wie in Zukunft auch diese spontanen Hilfsangebote noch besser in die Gesamtkoordination aufgenommen werden können. Denn ich möchte nicht, dass bei künftigen Einsätzen hilfsbereite Menschen dieselbe Erfahrung machen müssen, wie die 29 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Erwitte, die in ihrer Hilfsbereitschaft zunächst gebremst wurden. Das ist bedauerlich. Da ist in Zukunft eine andere Sensibilität notwendig. Aber, wie schon gesagt: Auch daraus lernen wir wieder. Und es ist ja erfreulich, dass die Feuerwehr Erwitte dann doch noch zum Einsatz in
ihrer sächsischen Partnerstadt Aken gekommen ist.
Deshalb auch an sie mein herzlicher Dank dafür, dass sie beim Leerpumpen von Kellern oder beim Wegräumen von Sandsäcken geholfen haben.
Die Frage der Finanzierung die Flut geht zurück. Wir reden aber heute noch nicht über eine bereits bewältigte Katastrophe. Auch wenn sich die Lage insgesamt deutlich entspannt hat, ist sie vielerorts nach wie vor sehr ernst. Noch immer stehen Häuser unter Wasser, können Deiche noch brechen.
Die unmittelbare, schnelle, konkrete Hilfe war und ist jetzt das Allerwichtigste. Aber klar ist auch: Angesichts der enormen Schäden reicht das alleine nicht aus. Die Aufräum- und Säuberungsarbeiten werden noch Wochen und Monate andauern. Häuser sind
unbewohnbar, kleine und mittlere Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht. Wir dürfen und wir werden die Betroffenen jetzt nicht mit ihren Schäden und ihrer Not allein lassen.
Die Infrastruktur ist großflächig zerstört und muss wieder hergestellt werden. Noch immer ist die
Stromversorgung nicht überall wiederhergestellt, noch immer sind Straßen- und Bahnverbindungen unterbrochen.
Die Bahn spricht von Schäden in einem hohen
dreistelligen Millionenbetrag.

Und selbstverständlich geht es neben all dem auch um die Frage, wie wir die Menschen künftig vor ähnlichen Fluten besser schützen werden.
Anrede, wir haben diese Unterrichtung des Landtages auch deshalb angemeldet, weil wir Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, so frühzeitig wie möglich über die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Fluthilfe informieren wollen. Denn neben der unmittelbaren Hilfe, über die ich vorhin gesprochen habe, wird ja auch eine langfristige, große finanzielle Unterstützung notwendig.
Bei der Anmeldung der Unterrichtung war durchaus
offen, ob wir über ein Ergebnis, über einen Zwischenstand der Verhandlungen oder gar über ein Scheitern würden sprechen können/müssen. In mehreren harten Verhandlungsrunden ist es uns erfreulicherweise gelungen, eine Einigung zu erzielen, die weder dem Bund noch den Ländern leicht gefallen ist. Aber es ist eine Einigung im Sinne der von der Flut betroffenen Menschen und deshalb bin ich glücklich, dass diese Einigung gelungen ist. Der Weg für die Wiederaufbauhilfe
in den Hochwassergebieten ist damit frei.
Wir stellen gemeinsam – der Bund und die Länder –
bis zu 8 Mrd. Euro für die Beseitigung der Flutfolgen zur Verfügung. Das ist ein starkes Zeichen der Solidarität, und es gibt den Menschen in den betroffenen Gebieten Hoffnung. Es wird schnell geholfen, und es wird umfassend geholfen.

Da der Bund die Kosten der Bundesinfrastruktur von
1,5 Mrd. Euro allein trägt, reduziert sich der Länderanteil von bisher 4 auf 3,25 Mrd. Euro. Der Bund übernimmt damit unter anderem Schäden an Autobahnen, Bundesstraßen sowie verschiedenen
Wasserwegen. Teil der Einigung ist auch – wie von
den Ländern gefordert – der Fonds Deutsche Einheit.
Bei einer zurzeit erkennbaren vorzeitigen Tilgung des Fonds hat der Bund nun anerkannt, dass auch die
Zahlungsverpflichtungen der Länder in den Fonds
dann entfallen. In der Konsequenz würden den Ländern dann wieder 2,2 Mrd. Euro pro Jahr mehr zur
Verfügung stehen. Noch am Dienstag war Bundesfinanzminister Schäuble in den Verhandlungen nicht bereit, über den Fonds Deutsche Einheit überhaupt zu reden.
Die verbleibenden 3,25 Mrd. Länderanteil am Hilfsfonds erstatten die Länder dem Bund inklusive Zinsen und Tilgung. Es gelten die günstigen Finanzierungsbedingungen des Bundes, das Risiko von zukünftigen Zinssteigerungen liegt beim Bund, weil feste Annuitäten vereinbart werden.
Mit diesen Vereinbarungen und eine auf 20 Jahre vereinbarte Laufzeit verringert sich die jährliche Zahlung der Länder auf nun noch rund 202 Mio. Euro gegenüber rund 438 Mio. im ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundes. Für NRW wird damit die jährliche Zusatzbelastung bei rund 44 Mio. Euro liegen. Aber es ist doch erheblich weniger als die rund 95 Mio. Euro, die für NRW mit den anfangs vom Bund genannten Zahlen zu erwarten waren. Und ich wiederhole es noch einmal: Das ist auch ein solidarisch verpflichtender Beitrag, den wir als Land tragen wollen.

Am Ende können wir auch deshalb mit gutem Gewissen
zustimmen, weil es gleichzeitig gelungen ist, den
lange währenden Streit mit dem Bund über die sogenannten Entflechtungsmittel zu beenden. Das sind die Bundesmittel, die vor allem dem kommunalen Wohnungsbau und dem Nahverkehr zugute kommen und
die der Bund 2014 auslaufen lassen wollte. Der Bund
wird diese Mittel nun auf dem bisherigen Niveau bis
2019 weiterzahlen. Damit erhalten die Länder bis dahin weiter jährlich rund 2,6 Mrd. Euro. Zusammen mit dem Fiskalpaktgesetz werden wir einem entsprechenden Gesetz am 5. Juli im Bundesrat zustimmen.

Das Gesamtpaket:
· Fortführung Entflechtungsmittel auf bisherigem
Niveau,
· reduzierte Belastung der Länder,
· Einigung beim Fonds Deutsche Einheit,

ist ausgewogen und verantwortbar für Deutschland
und auch für NRW.

Meine Bitte an alle Fraktionen im Landtag ist es deshalb, diesem Kompromiss zuzustimmen! Im Interesse der Menschen in den betroffenen Gebieten und im Interesse der Solidarität in unserem Land.
Was tun wir in NRW, um uns gegen ähnliche Fluten
zu wappnen?

Nordrhein-Westfalen ist ja in den letzten Wochen von einer solch schlimmen Hochwasserlage wie im Osten und Süden Deutschlands verschont geblieben. Aber wir wissen, dass auch bei uns Hochwasser, vor allem wegen der dichten Besiedlung und der hohen Industrialisierung großen Schaden anrichten kann. Deshalb schützen wir 1,4 Millionen Menschen und Sachwerte in Höhe von 125 Milliarden Euro allein am Rhein durch
Hochwasserschutzanlagen!
Insgesamt sind die Investitionen in den Hochwasserschutz
bei uns in NRW von 21,6 Mio. Euro im Jahr
2010 auf 34 Mio. Euro im vergangenen Jahr 2012 ge15
stiegen. 2006 lag der Landesanteil lediglich bei 23,2
Mio. Euro. Zusammen mit den Mitteln des Bundes sind
im vergangenen Jahr mehr als 61 Mio. Euro in den
Schutz vor Hochwasser in NRW investiert worden. Im
Haushaltsplan 2013 hätten wir gerne die Landesmittel
auf 40 Mio. Euro erhöht. Aber die Haushaltslage hat
uns gezwungen, diesen Ansatz auf 30 Mio. Euro zu
begrenzen. Allerdings gibt es zeitgleich ein zinsgünstiges
Kreditprogramm der NRW-Bank im Umfang von
bis zu 20 Mio. Euro. Und für viele kleinere Gewässer
in NRW, die bei Hochwasser aber gleichwohl zur Gefahr
werden können, bietet das Land nicht nur Geld für
baulichen Hochwasserschutz, sondern auch planerische
Unterstützung.
Anrede,
enge Zusammenarbeit gilt auch für alle Hochwasserschutzmaßnahmen
am Rhein. Die werden seit 1998
mit den Rheinanliegerstaaten abgestimmt. Und an anderen
Gewässern, z.B. an Sieg, Weser und Ems, gibt
es eine enge Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern.
16
Anrede,
es ist wichtig und richtig, dass jedes Land selbst alles
Nötige tut, um sich gegen Hochwasser und andere
Katastrophen zu schützen. So wie wir es in NRW seit
Jahrzehnten tun. Es ist aber auch wichtig und richtig,
dass jedes Land jedem anderen dann Hilfe leistet,
wenn die eigenen Kräfte überfordert sind. Das ist gelebte
Solidarität und lebendiger Föderalismus im
Interesse der Menschen.