Rede von Marion Warden zu Top 12 in der Plenarsitzung am 10.07.2013

Marion Warden, MdL

Rede von Marion Warden zu Top 12 in der Plenarsitzung am 10.07.2013

60 Jahre Bundesvertriebenengesetz – 50 Jahre Gerhart-Hauptmann-Haus
Erinnern an die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation
Antrag der CDU-Fraktion

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren!

Unser Grundgesetz regelt in Kapitel XI unter den sogenannten Übergangs- und Schlussbestimmungen, genauer im Artikel 116, etwas sehr Grundlegendes für die Außen- und Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Artikel 116 definiert, wer Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist. Danach ist Deutscher, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling, im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat.

Diese Regelung hatte weitreichende Folgen für die Entwicklung der Bundesrepublik, und das bis zum heutigen Tag!

Am 10.Oktober 1945 brachte die NRZ auf der ersten Seite in Schlagzeilen die offizielle Nachricht: 4,5 Millionen Deutsche werden umgesiedelt. Beginn der Rückführung: 15 Oktober 1945.

Was dies für die Menschen und unser Land bedeutete, lässt sich am ehesten aus einem Schreiben vom 10.10.1945 entnehmen, welches der damalige Landrat Dr. Henseler, an die Bürgermeister der Städte im Kreis Mettmann, mit dem Zusatz „sofort“, richtete.
Mit Erlaubnis des Präsidenten, ich zitiere:
„Betrifft: Unterbringung von Flüchtlingen.
Es ist damit zu rechnen, dass in Kürze etwa 15.000 Flüchtlinge im hiesigen Kreis untergebracht werden müssen. Zu diesem Zweck sind alle verfügbaren Räume, wie Wirtschaftssäle, geeignete unbenutzte Fabrikräume, leerstehende historische Bauten, Baracken und sonstige Unterkünfte für die Unterbringung heranzuziehen. Es müssen alle Vorbereitungen getroffen werden, um die sofortige Durchführung der Maßnahmen zu ermöglichen.“ Zitat Ende

Dieses Zitat gibt einen Eindruck von den enormen Anstrengungen aber auch von den Schwierigkeiten, die auf den verschiedenen Ebenen bundesweit existierten um Vertriebenen und Flüchtlingen eine neue Heimat und eine Unterkunft zu geben. Dass es mit der Beschaffung einer Unterkunft alleine nicht getan war, muss ich hier an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

In diesem Jahr blicken wir auf 60 Jahre Bundesvertriebenengesetz zurück. 60 Jahre, in denen wir in einem gemeinschaftlich getragenen Kraftakt die Integration von Vertriebenen, Aussiedlern und Flüchtlingen erfolgreich auf den Weg gebracht haben.
Und das ist auch der Punkt, an dem wir den Ausführungen Ihres Antrages folgen können.

Ich selbst habe nicht erfahren müssen was es heißt, Heimatvertriebene zu sein. Was es bedeutet, alles was mir lieb und teuer ist, zurücklassen zu müssen. Diese Gefühle von Hunger und Not, Angst und Unsicherheit, habe ich und viele Menschen meiner Generation nicht kennengelernt. Aber wenn ich mir diese Situationen übertragen auf mein Leben vorstelle, nämlich mit meinen Kinder unter unsäglichen und elenden Verhältnissen meine vertraute Umgebung verlassen zu müssen, dann spüre ich und dann weiß ich, dass wir alles daran setzen müssen, nachwachsenden Generationen dieses Schicksal zu ersparen. Und hier sind wir auch als Gesetzgeber auf allen Ebenen gefordert.

Das Bundesvertriebenengesetz hat vor 60 Jahren die Grundlage für die aktive Beteiligung der deutschen Vertriebenen und ihre Verbände am Wiederaufbau der Bundesrepublik geschaffen. Es gab Antwort auf drängende Fragen, half bei der Verteilung auf die Bundesländer und linderte die Wohnungsnot. Dabei, und das wird auch aus Ihrem Antrag deutlich, hatte NRW immer eine entscheidende Führungsrolle. Dieser Verantwortung sind wir uns nach wie vor bei unserem politischen Handeln bewusst.

Aber heute, 60 Jahre später, sind auch neue Fragen zu beantworten. Erinnerungskultur lebt nun einmal maßgeblich von den Erinnerungen derjenigen, die sich noch erinnern können, die eigene, Bilder und Erfahrungen haben. Aber was wird aus der Erinnerungskultur, wenn sich niemand mehr aus eigenem Leben zurück erinnern kann?

Das Gerhard-Hauptmann-Haus in Düsseldorf als Deutsch-Osteuropäisches Forum, leistet hier seit mehr als 50 Jahren eine hervorragende Arbeit, die in ihrer Bedeutung nicht hoch genug geschätzt werden kann. Die das Haus tragende Stiftung wurde unter SPD Ministerpräsident Fritz Steinhoff im April 1957 begründet. Sie trug zunächst den Namen „Haus des deutschen Osten“, welcher aber 1992 mit Billigung der von Johannes Rau geführten Landesregierung, nach dem in Schlesien geborenen Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann, umbenannt wurde.
Im Zeichen der Osterweiterung der Europäischen Union stellen sich neue Fragen und Herausforderungen zur Bewahrung und Pflege des gemeinsamen historischen und kulturellen Erbes. Und was wird, wenn die Einigung Europas weiter fortschreitet?

Hier, wie auch an anderer Stelle, greift aus unserer Sicht Ihr Antrag zu kurz.
Aber ich freue mich auf den Dialog und die Beratung in den Fachausschüssen.
Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich und gerne zu.
-Es gilt das gesprochene Wort-