
Plenarrede von Marion Warden am 06.10.2016
TOP 4
„Abschied von der Arbeitsgesellschaft: Im Informationszeitalter brauchen wir eine Volksabstimmung über das Bedingungslose Grundeinkommen“ – Antrag der Piratenfraktion
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach dem die Diskussion um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in den letzten Jahren etwas weniger im Blick der Öffentlichkeit gestanden hat, ist sie spätestens mit der Volksabstimmung in der Schweiz in diesem Sommer, wieder mehr im Blick der Medien. In der Schweiz haben sich übrigens 77 % der am Volksentscheid Beteiligten, gegen die Einführung ausgesprochen.
Mit Ihrem Antrag fordern Sie, der Landtag möge beschließen, die Landesregierung aufzufordern, eine Bundesratsinitiative zu starten mit dem Ziel, dass auf BUNDSEEBENE eine Volksabstimmung über die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens stattfinden kann. Allein diese Formulierung wirft schon die Frage auf, ob die inhaltliche Beratung des Themas hier im Landtag NRW fachlich richtig ist. Es geht nicht nur um die Einführung eines Grundeinkommens, sondern es soll hierzu eine Grundgesetzänderung angeregt werden, um das Element einer Volksabstimmung einzuführen – eigentlich das komplette Gegenmodell zu unserer Verfassung, unserem Grundgesetz.
Wir haben Ihren Antrag in den letzten Monaten im Hauptausschuss und im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales beraten. Beide Fachausschüsse haben mehrheitlich abgelehnt. Nach Auswertung der Ende Juni durchgeführten Sachverständigenanhörung und den Ausschussberatungen werden wir als SPD Fraktion Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Ihr Antrag zeigt, dass Ihre Fraktion und die SPD-Fraktion unterschiedliche Vorstellungen von gesellschaftspolitischer und persönlicher Verantwortung haben.
Für uns steht die Eigenverantwortlichkeit und deren Stärkung durch gesetzliche Rahmenbedingungen, im Vordergrund staatlichen Handelns. Wir stehen zum Prinzip der Nachrangigkeit, wonach jeder Mensch die Möglichkeit erhält, seinen Lebensunterhalt zunächst aus eigenen Kräften erwirtschaften zu können. Ist dies durch ungleiche Bedingungen nicht in einer auskömmlichen Form möglich, treten staatliche Leistungen ein. So ist es in der Sozialgesetzgebung als Ausfluss des im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzips festgelegt. Denn Arbeit dient nicht nur der Sicherung des Lebensunterhaltes sondern stiftet Identität, Sinn und hilft, einen Platz in der Gemeinschaft zu festigen. Unser Ziel ist es deshalb, die Rahmenbedingungen für gute Arbeit zu stärken. Wir möchten deshalb z.B. auch einen sozialen Arbeitsmarkt realisieren, um allen Arbeitsfähigen die Möglichkeit zu, den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu sichern. Und mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung möchte ich auf das Projekt der Landesregierung „Arbeit 2020 – Digitalisierung der Arbeitswelt“ verweisen. Ein Pilotprojet gemeinsam mit IG Metall, IGBCE, NGG und DGB in dem sich Betriebsräte aus ausgewählten Unternehmen mit den Auswirkungen der Digitalisierung befassen.
Aus unserer Sicht, und das entspricht auch dem Ergebnis der Anhörung, ignoriert ein bedingungsloses Grundeinkommen den tatsächlichen persönlichen Bedarf. Es stört das Solidaritätsprinzip und verhindert die Bedarfsgerechtigkeit des Staates. Auch gibt es keine zuverlässigen Finanzierungsmodelle. Fraglich wäre auch, wie sich eine solche Regelung auf die Arbeitsbereitschaft und den Arbeitsmarkt auswirken würde.
Ich finde, das sind wesentliche Gründe gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Eingehen möchte ich aber noch auf den Gedanken der von Ihnen beabsichtigten Volksabstimmung. Unser Grundgesetz sieht ganz bewusst das Element einer Volksabstimmung aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht vor. Wir sind eine funktionierende parlamentarische Demokratie – und mit Blick auf die Beteiligungen bei Volksabstimmungen oder Wahlen bezweifle ich, ob eine Plebiszitäre oder direkte Demokratie eine bessere Volksvertretung wäre. Nach den historischen Erfahrungen wollen wir jedenfalls an unserem bewährten Demokratiemodell festhalten.
Wir werden aus den vorgenannten Gründen der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht zustimmen. Denn dies würde Probleme des Sozialstaates, ausgelöst durch fehlende Arbeitsanreize, nicht lösen sondern verstärken.
Vielen Dank!